Was hat sich in den vergangenen Jahren in der Arbeitswelt grundlegend verändert?
Nils SCHMIDT: Die Arbeitswelt wurde in den letzten Jahren dramatisch verändert durch die spürbaren Wesenselemente der sogenannten Wissensgesellschaft, insbesondere sind die Ansprüche der Mitarbeitenden an Mitbestimmung und aktive Beteiligung, zum Beispiel in Entscheidungsprozessen, gestiegen. Nicht mehr die Ausführung von Anweisungen, sondern die gemeinsame Gestaltung der Arbeit kennzeichnet die Zusammenarbeit von Führungskräften und Mitarbeitenden. Mitarbeitende entwickeln sich sukzessive zu Mit-Verantwortlichen.
Was bedeutet das für die Führungskräfte?
Führungskräfte standen und stehen vor der Herausforderung, den Rahmen der Arbeit so zu setzen, dass sich diese wertschöpfend entwickeln kann. Selbstverständlich dürfen wir dabei nicht die Menschen verlieren, die nach wie vor klare Vorgaben und Anweisungen erwarten. Es ist aber zu entscheiden, welchen Kulturraum wir grundsätzlich anstreben und zukünftig gezielt gestalten werden.
Welche Fähigkeiten müssen Menschen in Unternehmen heute mitbringen?
Die Bereitschaft und die Fähigkeit zur ständigen Veränderung beziehungsweise Weiterentwicklung des Unternehmens bilden die Grundlage des Zukunftserfolgs. Auf einer Ebene mit dem persönlichen Wachstum müssen gezielt die Kompetenzen entwickelt werden, die notwendig sind, um den Unternehmenserfolg sicherzustellen: ganzheitliches Denken, Dialog- und Teamfähigkeit, Eigenverantwortung sind her ebenso Schlüsselkompetenzen, wie Konsequenz Konfliktfähigkeit über Optimismus.
Was heißt das für das Personalmanagement von Unternehmen?
Um zukünftig erfolgreich zu sein müssen Unternehmen, stärker als bislang personalstrategisch geplant und geführt werden. Selbstredend ist dabei auch der periodische Erfolg sicherzustellen. Es gilt nach wie vor „Geschäft zu machen“ und zeitgleich dafür zu sorgen, „im Geschäft zu bleiben“. Rasante Veränderungen in der Kommunikationstechnik, im Kommunikationsverhalten und in den Arbeitsprozessen, aufgrund zunehmender Technisierung beziehungsweise Automatisierung, lassen sich in der Auswirkung auf den Punkt bringen: Die Arbeitswelt ist schneller, dynamischer, komplexer, komprimierter geworden.
Was sind aus Ihrer Sicht heute die größten Herausforderungen in der persönlichen Entwicklung?
Aus den eben genannten Veränderungen ergibt sich sowohl für Mitarbeitende als auch für Führungskräfte die Notwendigkeit eines echten Kompetenzzuwachses. Mit klassischem Lernen und der gewohnten Entwicklung von Fertigkeiten alleine werden Zukunftserfolge nicht mehr erreichbar sein. Das lebenslange Selbstgesteuerte lernen wird elementar. Insbesondere die für die jeweiligen Strategien des Unternehmens entscheidenden Kompetenzen müssen eingebettet in einem gewünschten Werterahmen und auf Basis von echter Bereitschaft und Fähigkeit zur Reflektion gezielt entwickelt werden. Führungskräfte stehen auf der einen Seite selbst in einem Entwicklungsprozess, zum Beispiel die Entwicklung von sozial-kommunikativen und persönlichen Kompetenzen, auf der anderen Seite müssen sie diese Prozesse bei den Mitarbeitenden ermöglichen und aktiv fördern, etwa die Entwicklung von Aktivitäts- und Handlungskompetenzen. Eine weitere gemeinsame Herausforderung ist der zielführende Umgang mit Komplexität, inklusive einer wertschöpfenden Kommunikation.
Welche Lösungsansätze sehen Sie, um diese Herausforderungen zu meistern?
Die Lösungsansätze liegen insbesondere in zwei sich ergänzenden Stoßrichtungen: Notwendig ist die Implementierung eines gezielten wirksamen Prozesses dauerhafter Kompetenzentwicklung im Unternehmen. Ein strategisches Planen und Handeln wird dadurch erst möglich und sicher der Zukunftserfolg – natürlich ergänzend zu den ohnehin überlebenswichtigen richtigen sachlichen Entscheidungen, wie zum Beispiel Formulierung von Mission, Vision und Strategie, Wahl des Geschäftsmodells, Definition des Produkt- und Leistungsportfolios, Gestaltung produktiver Prozesse. Die Entwicklung von Kompetenzen erfordert zwingend eine Erhöhung des Stellenwerts und auch ausreichende Investitionen in ein zukunftsfähiges Personalmanagement. Personalentwicklung muss künftig deutlich mehr leisten als Rekrutierung, Entwicklung und das Gestalten von Personalprozessen. Zweitens ist die gezielte Stärkung von Mitverantwortung wichtig. Dies bedeutet eine tatsächliche, gemeinsame Gestaltung der Unternehmensentwicklung und auch die Partizipation am Erfolg. Kreative, innovative Modelle sind zu konzentrieren und dürfen nicht alleine in Form von (Gewinn-)Beteiligung gestaltet werden. Wenn Mitverantwortung wirklich gelingen soll, liegt der Schlüssel hier ganz sicher zunächst in einer gezielten Entwicklung der Haltung im Management. Für die Reflexion wichtige Fragen wären beispielsweise: „Wie gestalten wir Begegnungen mit Mitarbeitenden auf Augenhöhe? Welchen Rahmen setzen wir, damit Eigenverantwortung entstehen kann und nachhaltig wirksam wird? Wollen und können wir wirklich loslassen und vertrauen?“
Wie sieht für sie die ideale Arbeitsfeldern einer Genossenschaftsbank aus?
Eine ideale Arbeitswelt ist gekennzeichnet durch eine Kultur des Miteinanders und der nachhaltigen Verantwortung (sozial, ökologisch, ökonomisch). Diese Wesensmerkmale sollten kulturell selbstverständlich werden:
- Orientierung an gemeinsamen ehrgeizigen Zielen
- hohe Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit aller beteiligten
- Verankerung von Respekt, Vertrauen, Anstand,, Gleichberechtigung, Chancengleichheit, Fairness, gegenseitiger Achtung und Rücksichtnahme
- Lust und Leidenschaft prägen das Miteinander
Flexibilität sollte in der Organisation als Grundprinzip gelten, das heißt, es bestehen wenig definierte Grenzen (Arbeitszeit, Ort, …). Vielmehr prägt eine sich laufend entwickelnde, organische Form der Zusammenarbeit die Organisation. Eine Orientierung an Lebensphasen und individuellen Bedürfnissen der beteiligten Mitarbeitenden und Führungskräfte steht im Einklang mit einer erfolgreichen Unternehmensentwicklung. Eine echte Partizipation sorgt für ein neues Grundverständnis in der Arbeitswelt und löst das bisherige Rollenverständnis von Arbeit-Nehmenden und Arbeit-Gebenden auf. Letztlich kennt eine „idealisierte Arbeitswelt“ auch kein Streben nach der immer wieder geforderten „Work-Life-Balance“. Arbeiten und Leben dürfen idealisiert nicht gegeneinander abgewogen werden, vielmehr muss sich Arbeit zu einem natürlichen, qualitätsfördernden Bestandteil des Lebens entwickeln. Aus meiner Sicht gibt nur das SINN.